Rock im Wald 2019

Neuensee, 26.+27.07.2019

Endlich ist es wieder soweit! Bereits zum 21. Mal findet das Rock im Wald Festival in Neuensee bei Lichtenfels statt. Dass das Festival schon Monate im Voraus restlos ausverkauft war, zeigt eindrucksvoll die Früchte der liebevollen und professionellen Arbeit des Organisationsteams – das Festival ist schon seit Jahren ein absoluter Pflichttermin für Freunde der groovigen Klänge. Neben dem hochkarätigen Lineup um Danko Jones, Zeal & Ardor und Co. ist wohl das offene, entspannte und tolerante Publikum der beste Grund, um sich über das Wochenende an den geräumigen Sportplatz im Wald zu begeben und das rundum Programm aus kaltem Bier, frischem Essen und abwechslungsreicher Livemusik zu genießen. Erreicht man den Campingplatz, kommt man nicht umher die vielen außergewöhnlichen Gefährte zu begutachten, die ihre stolzen Besitzer teilweise extra für das Festival mit Folie beklebt oder anderweitig geschmückt haben. Bei tiefergelegtem VW T1 Bulli, mattschwarzen, getunten GMC oder amerikanischem Leichenwagen aus den 70ern kommt man gar nicht mehr aus dem Staunen heraus.

Es bleibt auch nicht viel Zeit Luft zu holen, denn Malm eröffnen schon das Festival und lassen keine Gnade walten: Gitarrenwände, bissiger Gesang und treibender Bass von der ersten Sekunde an zeigen sofort, wo es am Wochenende lang gehen soll. Die Lücken im Publikum nutzt Sänger Ali kurzerhand, um immer wieder einen Abstecher hinein zu machen und mehr mit dem Publikum als für das Publikum zu performen.

Sonic Beat Explosion auf Malm folgen zu lassen ist eine geniale Entscheidung seitens der Organisation, denn so wird mit den ersten zwei Bands die gesamte Bandbreite der musikalischen Genres ausgelotet, die man zu hören bekommen soll. Also alles von Metal, NDH und Crossover über Stoner-, Doom- und Grungerock bis hin zum klassischen Rock (’n Roll). Und so sorgen schon Sonic Beat Explosion mit Rock ’n Roll Rhythmen für den ersten Hüftschwung des noch jungen Abends.

Mit Black Mirrors folgt die einzige Band des Festivals mit Sängerin. Marcella Di Troia hält jedoch die Fahne für ihr Geschlecht hoch, tanzt sich zu den treibenden Basslines halb in Trance und lässt dabei ihr Federkleid fliegen. Die Belgier begeistern mit einer Mischung aus  Grunge und Blues und sorgen dafür, dass sich der Platz vor der Bühne füllt. Vielleicht findet sich im Headlining des nächsten Rock im Walds ja die ein oder andere female fronted Band mehr.

Mit ASG verzeichnet das Festival einen weiteren tollen Auftritt einer Stonerband. Die vierköpfige Truppe aus den Staaten erweiterten das Konzept des klassischen Stonerrocks um punkige Gitarren und einer Stimme die auch im Country oder Southernrock beheimatet sein könnte.

Ein fulminantes Set liefern danach The Picturebooks ab, das Duo überrascht mit einer Performance, deren akustische und visuelle Konzeptionalisierung jeden Rahmen sprengt. Man mag es kaum glauben, wie eine Zweimannband eine so außergewöhnliche Soundwand aufstellen und halten kann. Dies gelingt wohl durch die Verwendung von verschiedensten Instrumenten, wie zum Beispiel einem Blech, dass mit seinem wabernden und fremdartigen Klang für eine abwechslungsreiche Akzentuierung sorgt. Die Band schafft es, alle Elemente im richtigen Maß zu verwenden und so besteht die Setlist aus Instrumentalstücken, die spährisch und geheimnisvoll wirken, aber keine Langeweile aufkommen lassen und aus klassischen Songs mit Gesang, die sich in vielen verschiedenen Tempi bewegen und den Zuhörer immer neue Aspekte entdecken lassen. Das Publikum belohnt die fulminante Show mit viel Applaus und spätestens nach dem zweiten Song sind fast alle Gäste vor der Bühne zu finden – das will sich sicher keiner entgehen lassen. Genau das will Sänger Fynn mit seinem Bandkollegen erreichen: „Es geht darum das Hier und Jetzt zu genießen. Die Einigkeit im Moment ist die große Leistung der Musik – genau das ist Kunst“. Beim RiW sind die zwei Bärtigen aus Gütersloh schon bekannt, ein paar Jahre zuvor sind sie schon einmal dort aufgetreten. Dass sie wiederkommen würden, lag für sie auf der Hand, denn beide haben großen Gefallen am Festival gefunden. „Es ist schön zu sehen, dass ein kleines Festival einen so hohen Grad an Professionalität an den Tag legen kann, ohne sein Herz zu verlieren, das ist echt selten“ – besser könnte man es nicht sagen.

Jene Professionalität ist wohl auch der Grund dafür, dass international bekannte und hochkarätige Acts, wie es Danko Jones zweifelsohne sind, sich gerne im Wald blicken lassen und dem Besucher das Gefühl geben, sie wäre auf einem Stadionkonzert mit mehreren zehntausend Menschen und nicht auf einem Sportplatz im Wald. Bei bombastischem Sound und gut durchdachter Lichtshow legt die Truppe um Sänger Danko Jones die Latte ganz schön hoch. Der Headlinerstatus bekommt den Kanadiern ausgesprochen gut, was sich in ihrer Bühnenenergie, die alle mitreißt, widerspiegelt. Bei besten Wetterbedingungen wurden Klassiker wie I Think Bad Thoughts, The Twisting Knife und Had Enough neben Songs vom aktuellen Album A Rock Supreme“  zum Besten gegeben, bevor Danko Jones die Gäste mit My Little RnR in die laue Nacht entlassen.

Am nächsten Tag geht es nach einem ausgiebigen Test der Essenstände, insbesondere der veganen Eintöpfe mit etlichen scharfen Soßen zum selbst würzen, um 14:00 Uhr mit Dune Pilot los: Eingängige Riffs, solide Bassspuren und die leicht angekratzte, rauchige Stimme des Sängers geben den Songs Ecken und Kanten. Die perfekte Band um die eventuellen Spuren der letzten Nacht abzuschütteln und sich ein erstes gehopftes Erfrischungsgetränk zu genehmigen.

Das Trio von Samavayo wartet anschließend mit einer soliden Mischung aus Stonerrock und Heavy Metal auf, wobei besonders die Setlist auffällt, die sich angenehm steigert und so den Einstieg erleichtert. So hat man als Zuhörer von allem etwas, es reihen sich epische, vom Gesang getragene Passagen an schnelle, rhythmische Instrumentalparts, die sich dann zu einem grandiosen Stoner-Kopfnicker komplettieren.

Mit Mothers Cake folgt ein weiters Trio. Die Österreicher bringen eine Stunde lang Progressive Rock auf die Bühne, irgendwo zwischen Nirvana und Led Zeppelin erfreuen die spielfreudigen Mannen das Publikum.

Abgelöst werden sie von Mammoth Mammoth. Von Sekunde eins an springt der Funke über – Band und Publikum in feuchtfröhlicher Trinklaune brauchen keine Eingewöhnungsphase, Frontman Mikey macht gleich mal klar wie die Show ablaufen wird, indem er seinen Becher kalten Whisky mit einem Zug leert, in den Fotograben springt und die nächsten zwei Songs von dort aus performt. Generell fand man ihn dort wahrscheinlich öfter vor, als auf der Bühne, der Kontakt mit den Fans steht eben noch an erster Stelle. Die Australier kommen gerade frisch aus dem Studio, wo sie ihr neues Album vorbereitet haben. Dies ging einher mit zwei Veränderungen an den Instrumenten: Mark Gennaro ist neu an der Gitarre und Chris Fiore malträtiert nun die dicken Saiten für die Stonerrocker. Die beiden fügen sich sehr gut um Mikey Tucker ein und bringen dennoch ihren eigenen Stil mit auf die Bühne. Am besten zu sehen war dies bei der Performance von Wanted Man. Der Song vom neuen Album feierte an diesem Tag seine Livepremiere und wirkte im Gegensatz zu den älteren Songs direkter, dunkler und noch eingängiger. Die Australier fühlten sich sichtlich wohl in Neuensee, Mikey stellte die obligatorische Frage „Let´s party motherfuckers – shall we?“. Natürlich wollten die Zuschauer Party und davon bekamen sie bei Mammoth Mammoth definitiv nicht zu wenig.

Dementsprechend euphorisch gestimmt empfängt das bunt gemischte Publikum dann auch Greenleaf. Die Schweden bringen mit ihrem progressiven Stoner ein kleines Stück amerikanische Südstaaten an den Sportplatz, scheinbar genau nach dem Geschmack des Publikums, das sich als textsicher und moshpitfreudig erweist.

Perfekte Vorbedingungen für Lowrider, die in Sachen Stimmung ihren Vorgängern in nichts nachstehen. Das Quartett liefert soliden Stonerrock, der oft Mals ins Psychedelische abdriftet, nur um dann den Zuhörer mit einer versiert gesetzten Pause wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. Die Schweden werden dafür mit Applaus und Crowdsurfern belohnt und lassen sich auch um Zugaben nicht lange bitten. Als deren Set vorbei war ist zu spüren, dass Anspannung unter den Gästen herrschte, denn der Höhepunkt des Abends steht für viele ja noch aus.

So füllt der Platz vor der Bühne zügig, während auf der Bühne eine Leuchtstoffröhrenkonstruktion installiert wird. Schließlich geht das Licht aus, auf der Bühne leuchtete nur noch die Konstruktion, die ein Z und ein A in einer geometrischen Sanduhr zeigt. Als schließlich die vermummten Mitglieder von Zeal & Ardor die Bühne betreten, bricht die Hölle über den Zeltplatz los. Ein völlig neuer und absolut einzigartiger Sound peitscht über den Platz und bei den Zuschauern kämpft Euphorie gegen Unglauben an, das kann man nicht beschreiben, sondern muss man einfach gesehen haben. Mit ihrer Mischung aus Chaingangblues, Gospel und Death Metal erschafft die Truppe ein völlig neues Spektrum an Klängen und Kombinationsmöglichkeiten. Die Songs sind äußerst abwechslungsreich und bergen die Möglichkeit große Emotion zu transportieren. Im Verbund mit den dunklen und vermummenden Bühnenoutfits und dem leuchtenden Logo kreiert die Truppe eine Atmosphäre, der sich keiner entziehen kann – manchmal hat man das Gefühl sich auf musikalische Zeitreise in Zukunft oder Vergangenheit zu begeben und im nächsten Moment fühlt man sich, als wäre man auf einer schwarzen Messe und Sänger Birdmask würde einem satanische Verse ins Ohr flüstern. Bei diesem starken Auftritt vergeht die Zeit wie im Flug, Zeal and Ardor lassen die Besucher staunend, glücklich und um eine Erfahrung reicher zurück. Was für ein Fest!

Text: Kilian Funk
Photos: Lars Oeschey
Akkreditierung durch german Rock e.V.

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